»Spem in alium«
Visionäre Klänge der Renaissance |
|
Konzert:
Mittwoch, 3. August 2011, |
Kompositionen
für zwei oder drei Chöre zu 12 und mehr Stimmen bilden zu
Ende des 16. Jahrhunderts keine Seltenheit. Vor allem norditalienische
und römische Komponisten nutzen Ihre räumlichen
Möglichkeiten und schaffen monumentale Raum-Klang-Kompositionen.
Mit den immer größer werdenden Kirchebauten multiplizierten
sich auch die aufführungspraktischen Möglichkeiten. Die
Positionierung der Musiker auf Emporen und Holzbühnen an
verschiedenen Orten des Raumes zeigten die Suche der Kapellmeister nach
umfassender Raumerfahrung. Gerade in Rom pflegen die Komponisten um
Palestrina, dessen Schüler (Santini) und Kollegen (Marenzio) die
Mehrchörigkeit als Ausdruck himmlischer Herrlichkeit. Erstmals an die Grenzen das Möglichen geht Alesandro Striggio (1536-1592) in seiner 40-stimmigen Motette Ecce beatam lucem. Die 40 Stimmen werden verteilt auf fünf Chöre a 8 Stimmen, die sich im Raum an unterschiedlichen Orten aufstellen. Mit Sicherheit war es der gewaltige Raumeindruck des Domes von Florenz, der ihn veranlasste, ein Werk von bis dahin nicht gekannter Monumentalität zu wagen. Striggios Motette entstand vermutlich zum Besuch des Kardinals Ippolito d’Este, der am 13. Juli 1561 im Dom feierlich begangen wurde. Alessandro Striggio geht in Dienste der Medici mehrmals auf diplomatische Reisen, und führt dabei immer die Stimmen zu seiner 40-stimmigen Komposition im Gepäck. Bei einer Diplomatenreise nach London im Jahr 1567 hört Thomas Tallis die Aufführung von Ecce beatam lucem, und wird zu seine ebenfalls 40-stimmigen Motette Spem in alium inspirierten. Diese Komposition ist mit Sicherheit nicht nur die großartigste musikalische Leistung, die Thomas Tallis je erbracht hat, sondern auch eines der Meisterwerke aller Zeiten. Durch die Steigerung auf 8 Chöre hat Tallis in dieser Komposition ein beeindruckendes, monumentales Gefüge geschaffen. Im Februar 1568 führt Orlando di Lasso Stirggios Motette Ecce beatam lucem in München auf. Es darf als sicher gelten, dass der junge Leonhard Lechner als Chorknabe an der musikalischen Darbietung teilgenommen hat. Die Aufführung dürfte einen nachhaltigen Eindruck hinterlassen haben. Denn Lechner komponierte später ebenfalls eine monumentale Motette zu 24 Stimmen in drei Chören, die man in die Reihe der aufwendigsten Kompositionen des 16. Jahrhunderts stellen darf: Das Hochzeits-Epithalamium Quid Chaos. Die Berichte zur Aufführung in der Sebalduskirche in Nürnberg überliefern den Aufbau von zusätzlichen Holzpodesten, um die Chöre im Raum verteilen zu können. Lechner ging 1585 als Tenorist an die Württembergische Hofkapelle in Stuttgart, stieg 1589 zum Hofkomponisten auf und übernahm 1595 die Leitung der Hofkapelle, die unter seinem Einfluss eine Glanzzeit erlebte. Leonhard Lechner starb am 9. September 1606 in Stuttgart. Programmabfolge (03.8.2011) gregorianisches Responsorium Ornaverunt faciem templi Alessandro Striggio (1536-1592) Ecce beatam lucem Motette zu 40 Stimmen in 5 Chören gregorianisches Responsorium Versa est in luctum Luca Marenzio (1553-1599) Lamentabatur Jacob Super flumina Babylonis Motetten zu 12 Stimmen in drei Chören Gregorio Allegri (1582-1652) Miserere mei, Deus Psalm 51 zu 9 Stimmen in zwei Chören gregorianisches Responsorium Vidi Dominum sedentem Prospero Santini (gest. um 1600) Sanctus zu 12 Stimmen in drei Chören aus: Missa Cantantibus organis Giovanni Pierluigi da Palestrina (1525-1594) Beati omnes zu 12 Stimmen in drei Chören gregorianisches Responsorium Si bona suscepimus Leonhard Lechner (1553-1606) Quid Chaos zu 24 Stimmen in drei Chören gregorianisches Responsorium Spem in alio numquam Thomas Tallis (1505-1585) Spem in alium Motette zu 40 Stimmen in 8 Chören |
Letzte Änderung: 29.07.2011 © ensemble officium 2011 |